“It Was Ugly and Shriveled, With One End Nibbled Off” The Knackwurst as a Metonymy in Lore Segal’s Story “Wir aßen stumm. Auf dem Kindertransport”

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Eva-Maria Trinkaus
https://orcid.org/0000-0002-5890-3080

Abstract

„Wir aßen stumm. Auf dem Kindertransport“ ist eine Kurzgeschichte der amerikanisch-österreichischen Autorin Lore Segal, die von ihrer Flucht vor den Nazis und der Trennung von ihren jüdischen Eltern in Österreich auf einer unfreiwilligen und ungewissen Reise an einen sicheren Ort erzählt, begleitet von anderen Kindern und einer Tüte Süßigkeiten. Am Tag ihrer Abreise aus dem österreichischen Ort Fischamend, wo sie als jüdisches Kind vor den Nazis flieht, bittet die junge Lore ihre Mutter um eine Knackwurst - eine typisch österreichische Wurstsorte, die als Proviant für ihre „Reise“ dienen soll, in Segals Erzählung aber viel mehr als nur zur Mahlzeit wird. In einem bereits übereilten und gefährlichen Versuch, den letzten Wunsch ihrer Tochter vor der Abreise zu erfüllen, gibt Lores Mutter nach und kauft ihr eine Wurst als Mahlzeit, die sie im Zug satt machen würde. Die Wurst erfüllt nicht nur den Zweck der Ernährung, sondern eröffnet schließlich einen Raum innerhalb der Erzählung, der es Segal als Erzählerin erlaubt, die Trauer der jungen Lore und die Angst vor der Ungewissheit auszudrücken. Anstatt die Wurst einfach zu essen, wie es ihre Mutter vorgesehen hatte, hebt Lore das Essen für später auf. Indem sie die Wurst aufbewahrt, wird sie zu einem Ersatz für ihre Gefühle. Je weiter sich die junge Lore von zu Hause entfernt, desto mehr verfällt die Wurst, beginnt zu stinken und wird schließlich ungenießbar. Von der Unappetitlichkeit bis zur langsamen Fäulnis nimmt die Wurst als Ersatz für die Gefühle der jungen Lore einen wesentlichen Teil der Erzählung ein. Gleichzeitig wird die Wurst zum Indikator dafür, wie weit sich die junge Lore auf ihrer Reise bereits von zu Hause entfernt hat – räumlich und emotional. Abgesehen davon, dass die Knackwurst kein koscheres Essen ist, ist sie auch nicht das, was sie bei der Abreise wirklich will – sie verschafft ihr nur mehr Zeit mit ihrer Familie. Je mehr sie jedoch auf ihrer Reise zu stinken beginnt, desto weiter entfernt sich Lore von ihrem Zuhause in Fischamend, und desto schwieriger wird es, die stinkende Wurst vor allen anderen zu verstecken, bis sie schließlich gefunden wird, was das Mädchen in Verlegenheit bringt und ihr schließlich erlaubt, ihre Traurigkeit offen und vor allen anderen auszudrücken.
Segals Geschichte ist ein Beispiel dafür, was passiert, wenn Essen nicht mehr nur ein einfaches Produkt oder eine grundlegende Notwendigkeit ist, sondern über Ernährung hinausgeht. In Segals Geschichte lässt das Lebensmittel zweierlei Analysen zu. Einerseits eröffnet es einen Raum innerhalb der Erzählung, der die Distanz der Erfahrungen darstellt. Andererseits erlaubt die Wurst und ihr Verfall Segal, die Knackwurst als erzählerisches Mittel zu nutzen, um die Erfahrung der Protagonistin greifbarer zu machen und narrative Elemente für eine historische Darstellung zu verwenden, ganz im Sinne des Schreibens von „Geschichte“ durch „Geschichten“ (vgl. Segal 2019a), wie sie es für sich als Schriftstellerin beansprucht.

Artikel-Details

Zitationsvorschlag
Trinkaus, E.-M. (2022). “It Was Ugly and Shriveled, With One End Nibbled Off”: The Knackwurst as a Metonymy in Lore Segal’s Story “Wir aßen stumm. Auf dem Kindertransport”. LIMINA - Grazer Theologische Perspektiven, 5(2), 95–111. Abgerufen von https://limina-graz.eu/index.php/limina/article/view/141
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