Kult um Speisen? Essen und seine sozial-religiösen Funktionen im antiken Judentum, im entstehenden Christentum und in der Gegenwart

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Christina Eschner

Abstract

Im antiken Judentum haben Speisevorschriften eine soziale und religiöse Bedeutung. Sie dienen als ein Mittel der Abgrenzung Israels von den Völkern und zu dessen Selbstdefinition als heiliges Volk. Anders als es gerade in der älteren Forschung häufig vertreten wurde, werden die grundlegenden jüdischen Speiseverbote im Urchristentum nicht aufgelöst. Es wird jedoch das trennende Moment, das mit bestimmten Essensvorschriften im antiken Judentum verbunden ist, stark zurückgedrängt und dagegen das Verbindende des Essens herausgestellt. Bei Paulus lässt sich zudem eindeutig eine Desakralisierung des Essens feststellen: Speisen haben ihm zufolge keine Bedeutung für das Reich Gottes (Röm 14,17; vgl. 1 Kor 6,13). Demgegenüber lässt sich in der Gegenwart für den Bereich des Essens eine gewisse Resakralisierung feststellen: Speisen sind zu einem Lifestyle-Produkt und zu einer Ersatzreligion geworden. Angesichts dieser Tendenz gilt es, das verbindende Moment des Essens nicht aus dem Blick zu verlieren. Im Urchristentum ist die Gemeinschaft beim Mahl in jedem Fall wichtiger als ein Kult um Speisen. Die urchristlichen Texte zum Essen zeigen somit eindrucksvoll: Antike Texte können, so sehr sie auch in der Antike verwurzelt sind und diesem Kontext Rechnung zu tragen ist, eine höchst aktuelle Bedeutung für ein gesellschaftlich brisantes Thema haben.

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Zitationsvorschlag
Eschner, C. (2022). Kult um Speisen? Essen und seine sozial-religiösen Funktionen im antiken Judentum, im entstehenden Christentum und in der Gegenwart. LIMINA - Grazer Theologische Perspektiven, 5(2), 14–37. Abgerufen von https://limina-graz.eu/index.php/limina/article/view/179
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